Absurde Konsumpropaganda geht weiter

Geschrieben von: am 26. Jul 2012 um 16:11

Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) macht weiter Stimmung. Der äußerst dubiose Konsumklimaindex, der angeblich Anschaffungsneigung, Einkommenserwartungen und Konjunkturaussichten, kurz Kauflaune, zusammen abbildet, ist im Vergleich zum Vormonat um sage und schreibe 0,1 Punkte gestiegen. Grund genug, um ein mediales Feuerwerk nach dem Motto “Shoppen statt sparen” abzubrennen.

Fast jede Nachrichtensendung ist die Kaffeesatzleserei der GfK eine Meldung wert. Gleichzeitig wird unentwegt der Eindruck erweckt, als gäbe es jenen Konsum, der von dem Index bloß in Aussicht gestellt wird. Sie müssen sich das oben verlinkte Interview der Tagesschau-Redaktion mit Rolf Bürkl, der bei der GfK für diese regelmäßig stattfindende Datenmistproduktion verantwortlich ist, durchlesen. Während zu Beginn noch scheinheilig danach gefragt wird, wie eingetrübte Konjunkturaussichten zu einer steigenden Kauflaune passen würden, dreht sich der Rest des Interviews um die Beschreibung eines nichtvorhandenen Zustands.

Realitätsfremd könnte man diesen Vorgang bezeichnen. Leider bleibt er unentdeckt, wie auch die offensichtliche Manipulationsabsicht des Volkswirtes von der GfK. Auf die Frage, zu welchen werthaltigen Anschaffungen die Menschen neigen würden, antwortet Bürkl: “Das beginnt mit Immobilien,…” Nur zählt der Kauf von Immobilien volkswirtschaftlich betrachtet nicht zu den privaten Konsum-, sondern zu den Investitionsausgaben. Noch abenteuerlicher wird es weiter unten bei der Feststellung, dass ein neues Krisenphänomen zu beobachten sei.

“In früheren Krisen haben wir bei Wirtschaftsabschwüngen stets eine andere Entwicklung festgestellt: Wenn die Konjunktur nachließ, ging sofort die Konsumneigung zurück und die Verbraucher hielten ihr Geld zusammen.

Momentan ist es so, dass Sparen aus Sicht der Verbraucher nicht attraktiv und mit Unsicherheiten behaftet ist.”

Durch was ist diese Behauptung gedeckt? Laut statistischem Bundesamt lag die Sparquote im ersten Quartal 2012 bei 14,4 Prozent unverändert hoch. Wirklich lächerlich wird das Ganze aber bei der Feststellung, dass ein gutes Zusammenspiel von Politik, Arbeitgebern und Arbeitnehmern in den Krisenjahren 2008 und 2009 mit dem Verzicht auf übermäßige Lohnerhöhungen die Grundlage für die derzeit gute Konsumstimmung gebildet habe. Natürlich darf der Hinweis auf die Agenda 2010 nicht fehlen, die ebenfalls zum positiven Gesamtbild beigetragen hätte und nicht etwa, wie wir heute einer Meldung des statistischen Bundesamtes entnehmen konnten, zu einem Herr von Beschäftigten geführt hat, die mit konsumfreudigen Stundenlöhnen von weniger als 8,50 Euro auskommen müssen.

Und dabei haben die amtlichen Statistiker nur jene erfasst, die in Betrieben mit zehn oder mehr Beschäftigten arbeiten. Würde man alle zählen, läge die Quote nicht nur bei 11 Prozent, was rund 4,5 Millionen Beschäftigten entspricht, sondern bei weit über 20 Prozent. Die Ausweitung des Niedriglohnsektors hatte zuletzt sogar SPD-Chef Sigmar Gabriel als Fehler bei der Agenda 2010 bezeichnet und dabei mal wieder übersehen, dass darin überhaupt der Sinn der ganzen Übung gelegen hat, wie Bundeskanzler Schröder einst vor Gleichgesinnten auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos stolz zugab.

Was die GfK da misst, ist mir schleierhaft und in höchstem Maße unseriös, weil der Bezug zur Wirklichkeit nicht mal im Ansatz erkennbar ist. Wenn es dann ganz am Schluss heißt:

“Sollten sich in den nächsten Monaten die Meldungen häufen, dass Unternehmen Personal entlassen, dann kann die Stimmung sehr schnell wieder kippen. Dann steigt sofort die Angst vor der Arbeitslosigkeit bei den Beschäftigten und man wird beim Konsum wieder vorsichtiger.”

Hier wird a) ignoriert, dass mit Karstadt, Schlecker und Neckermann gerade Unternehmen aus dem Einzelhandelssektor jetzt schon für die entsprechenden Schlagzeilen sorgen und b) wieder so getan, als seien die Konsumenten derzeit nicht vorsichtig beim Geldausgeben. Offensichtlich muss man GfK-Ökonomen eine noch größere Betriebsblindheit und Inkompetenz unterstellen als bisher. Der XXL-Konsumboom bleibt auch weiterhin nur eine Propaganda-Fata Morgana.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Piwi  Juli 27, 2012

    Sehr faktenreiche Darstellung der öffentlich, rechtlichen Propaganda, die der Verapfelte auch noch bezahlen darf bzw. muss.

    Solche Meldungen in Tagesschau und Heute sind ja schlimm genug, aber dieser Unsinn wird über das Radio tausendfach verstärkt. Bei lustiger Musik – „im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt“! ;-)

  2. Informelles  Juli 27, 2012

    Diese Meldungen werden immer dann eingesetzt, wenn man ein Nachlassen der Konsumfreude befürchtet. Dieses Schauspiel kann man auch alljährlich kurz vor Weihnachten beobachten. Da soll mit solchen Manipulationen wohl eine Art Torschlußpanik erzeugt werden. Wenn die anderen hemmungslos ihr Geld rauswerfen, dann will man selbst nicht hinten anstehen. So soll der Konsument wohl denken. Anfang Februar kommen die echten Zahlen und dann ist von Kauflaune nichts mehr zu hören.

    Besonders verwerflich wird es aber, wenn heute noch Leute in Immobilienkäufe getrieben werden. Diese Käufe auf Pump waren doch der Anfang allen Übels.

  3. Kopfstaendler  Juli 28, 2012

    Es wurde Zeit, dass die Olympischen Spiele in London uns von unserem Einkaufsrausch ablenken. Es war ja auch schon stinklangweilig geworden im Sommerloch der Medienflaute.

    Wenn ich daran denke, wofür Amis so ihr Geld ausgeben, tststs! Waffen für 20.000 Dollars – gekauft von einem Monster innerhalb von 2 Monaten in Denver, um dann wild um sich herumzuschießen! Angeblich geht der für ca. 5 Dollars die Stunde Hamburger flippen.

    Daraus können wir lernen, dass Konsumfreude gar nicht so teuer sein muss. Für ein Sturmgewehr reicht es doch immer noch, gelle?

    • Kopfstaendler  Juli 28, 2012

      Und natürlich war er ein Einzeltäter – ohne Zuarbeit von irgendwem. Sagt die Polizei in Aurora/Denver. Ähnlich eben wie unsere Rechtsradikalen, die so liebevoll vom BND überwacht und auch schon mal angeregt werden.

  4. Charlie  Juli 31, 2012

    Ach ja, die Tages-Propaganda-Show mit ihrem üblichen Gewäsch … erst gestern bin ich versehentlich in den Anfang der „Tagesthemen“ geraten und mit einem Bericht über „Schweinelocke“ Friedrich begrüßt worden, der sinngemäß folgende Worte beinhaltete: „Minister Friedrich, der ansonsten als Mann der Besonnenheit und Zurückhaltung bekannt ist, …“ – Der Rest der „Nachricht“ wurde von meinem hysterischen Lachanfall verschluckt und ich musste den Raum verlassen.

    Nicht nur der Konsumwahn feiert dort Triumphe – die Kollegen und Kolleginnen in den öffentlich-rechtlichen „Nachrichtenredaktionen“ beherrschen die gesamte Klaviatur der neoliberalen Propaganda á la INSM, Bertelsmann & Co. vortrefflich. Ob es nun um den „XXL-Aufschwung“, das „Jobwunder“, die „Erfolge der Agenda 2010“ oder um unverhohlene Kriegspropaganda, unverdeckte Werbung für Versicherungskonzerne („Riester-Rente“, „Pflege-Bahr“ etc.) und vieles andere mehr geht – auf Tagesschau, Tagesthemen, heute und heute journal ist Verlass – sie sind die „Aktuelle Kamera“ von heute.

    Ich kann darauf gar nicht mehr anders reagieren als mit Spott, Zynismus und Sarkasmus.