Kurz notiert: SPD im strategischen Dilemma

Geschrieben von: am 20. Nov 2017 um 13:49

Nach dem Manöver von Christian Lindner befindet sich auch die SPD weiterhin im strategischen Dilemma. Hatten die Sozialdemokraten doch inständig gehofft, dass Jamaika irgendwie zustande kommt. Erklärtes Ziel war es ja, die „Koalition des Misstrauens“ dann scharf zu kritisieren. Doch daraus wird jetzt nichts.

Das Verhalten der SPD bleibt lächerlich. Wie den Äußerungen aus der Partei- und Fraktionsspitze bislang zu entnehmen war, zog man ein Scheitern der Jamaika-Sondierungsgespräche nicht einmal in Betracht. Immer wieder sagten Schulz und Co, Union, FDP und Grüne würden sich schon einigen. Nun kam es aber anders und der SPD fehlt mal wieder der Plan. Sie fordert stumpfsinnig Neuwahlen, in der Hoffnung, dafür vom Wähler auch noch belohnt zu werden.

Begründung: Die Große Koalition sei ja schließlich abgewählt worden und man könne daher nicht in eine Regierung eintreten. Was soll sich aber nach Neuwahlen an der jetzigen Situation ändern? Nach gegenwärtigem Stand bleibt der SPD nur die Option einer Großen Koalition, um zu regieren. Sie würde also pausenlos danach gefragt, ob sie denn solch ein Bündnis ausschließe. Wenn sie das nicht tut, ergeben Neuwahlen überhaupt keinen Sinn, da ja schon jetzt eine Große Koalition möglich wäre.

Die Strategen im Willy-Brandt-Haus könnten natürlich auch die gleiche absurde Nummer abziehen wie beim letzten Mal und bis zum Wahltag behaupten, sie würden schon stärkste Kraft, zu der dann jeder eingeladen sei, der mit der SPD über eine gute Regierung für Deutschland verhandeln wolle. Wie man es auch dreht und wendet. Es bleibt ein Dilemma. Was fehlt, sind die Rücktritte. Benötigt werden keine Neuwahlen, durch die eine AfD nur noch stärker würde, sondern eine personelle und inhaltliche Erneuerung auf Seiten der Wahlverlierer.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Hartmut Schwarz  November 20, 2017

    Natürlich geht es um einen Tausch der Neoliberalpolitiker in den Reihen der Parteien. Also einen Tausch der Köpfe nicht nur der Gesichter.
    Gesichtertausch haben und hatten wir in den vergangenen Jahrzehnten als Regierrungsprogramm. Anscheinend kaum bemerkt von der Öffentlichkeit. Da regieren dann Politiker weiter, egal welchen Quatsch sie dann angestellt haben.
    Im günstigsten Fall waren dann nicht Millionen von Bürgern davon betroffen. Siehe Agenda 2010.

    • Bella  November 21, 2017

      Wo steht eigentlich geschrieben, dass nur die stärkste Partei die „KanzlerIn stellen kann?

      • André Tautenhahn  November 21, 2017

        Nirgends. Der Bundespräsident schlägt jemanden vor. Den oder die Kandidatin kann der Bundestag natürlich auch ablehnen, in dem im ersten Wahlgang nicht die erforderliche absolute Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erreicht wird. Danach kann das Plenum 14 Tage lang eigene Vorschläge machen und so oft wählen, wie es will. Jeder Kandidat muss aber die absolute Mehrheit auf sich vereinigen, um zum Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin ernannt zu werden. Erst nach Ablauf der 14 Tage kann ein Wahlgang stattfinden, in dem auch die „relative“ Mehrheit reicht.