Automatismus und Inszenierung

Geschrieben von: am 16. Jul 2016 um 12:59

Angst

Quelle: pixabay

Überall Terror: An der Côte d’Azur, in der Türkei und natürlich in den Medien. Wobei nur der letzte Fall auch tatsächlich zutreffend ist.

Automatismen sicher

Denn nur im Fernsehen laufen schon die Terrorismus-Experten auf, wenn noch gar nicht klar ist, was eigentlich passiert und wer dafür verantwortlich ist. In Nizza gibt es keinerlei Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund, das bestätigte auch der Bundesinnenminister Thomas de Maizière, um im nächsten Satz dann aber zu sagen, dass der Anschlag dennoch zeige, wie real die Gefahr islamistischer Terrorakte in Europa sei. Für Politiker und Medien scheint irgendwie ein Automatismus zu gelten. Wenn der Täter einen Migrationshintergrund hat, muss es etwas mit Terrorismus zu tun haben. Und weil alle von Terror reden, stimmt auch der Islamische Staat als Letztes über seinen Medienkanal in die Sprachregelung mit ein.

Inszenierung möglich

Bleiben noch die Vorkommnisse am Bosporus, bei denen auch keiner so recht weiß, wer für den Putschversuch verantwortlich ist, der am Freitagabend stattgefunden hat. Präsident Erdogan spricht selbstredend von Terrorismus in seinem Land, um, wie er selbst sagt, mal ordentlich säubern zu können. Wer dann alles auf dem Kehrblech landen wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls scheint der türkische Präsident nun gestärkt aus der Sache herauszukommen. Innenpolitisch wie auch außenpolitisch. Denn alle bekunden ihre Solidarität mit einem Präsidenten, der ja seit Jahren ganz offen den Umbau von einem Parlaments- in ein Präsidialsystem betreibt und damit in gewisser Weise einen eigenen Staatsstreich vollzieht.

Es wirkt schon reichlich schräg an, wenn sich der türkische Präsident nun auf Demokratie beruft, obwohl er Demonstrationen von jenen, die nicht Anhänger seiner Politik sind, niederschlagen und politische Gegner wie Journalisten reihenweise inhaftieren lässt. Insofern ist der Gedanke an eine Inszenierung des Putsches noch nicht so ganz von der Hand zu weisen.

 

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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