SPD macht wieder eine unglücklich Figur

Geschrieben von: am 04. Jul 2016 um 15:39

Quelle: pixabay

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Die SPD macht weiterhin eine unglückliche Figur. Der SPD-Chef Sigmar Gabriel ist im Wahlkampfmodus und fordert eine Entgiftungskur für Europa. Doch zunächst einmal muss er sich wieder gegen den Eindruck wehren, als Wirtschaftsminister für den neuerlichen Anstieg der Waffenexporte verantwortlich zu sein. Eigentlich wollte Gabriel diese Lieferungen begrenzen, kann das aber offenkundig nicht. Denn der Verweis auf Verpflichtungen aus der schwarz-gelben Ära mag zwar formal richtig sein, das heißt aber auch, dass sich der Minister und Vizekanzler selbst für handlungsunfähig erklärt. Dann müsste er seinen Stuhl eigentlich räumen.

Doch den würdevollen Amtsverzicht lehnt der Sozialdemokrat natürlich ab. Gabriel, das wissen wir spätestens seit ihn die Putzfrau Susi einmal fragte, warum er denn weiter in der GroKo bleibe, verfährt nach dem Motto, was mit den Schwatten drin ist, wird gemacht. Auch wenn nichts drin ist oder eher das komplette Gegenteil von dem, was im Wahlkampf versprochen wurde. Der Fraktionssprecher der SPD, Thomas Oppermann, setzte sogar noch einen drauf. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte er am Wochenende:

Die SPD wolle jedenfalls in einer sich stark verändernden Parteienlandschaft 2017 die Regierung personell und inhaltlich führen. Trotz der momentan niedrigen Umfragewerte für seine Partei habe er „den Eindruck, dass sehr viele Menschen in diesem Land ganz nah bei den Positionen der Sozialdemokraten sind“. Es müsse seiner Partei nur gelingen, „diese Menschen davon zu überzeugen, dass wir ihre Interessen am besten vertreten können und nicht Frau Merkel“. […] Bis zur Bundestagswahl im Herbst 2017 werde die SPD aber nicht die Koalition vorzeitig aufkündigen und sich „vom Acker machen“, versicherte der SPD-Fraktionschef im Bundestag. „Es ist wichtig, dass wir in dieser schwierigen Zeit eine stabile Regierung stellen.“

Sie machen sich also nicht vom Acker, sondern führen weiter ihr bewertes Kasperletheater auf, in der Hoffnung, dass es für eine weitere Regierungsbeteiligung schon reicht.

Leider fehlt die Sendezeit

Um ihren Anspruch zu unterstreichen, wollen die Sozialdemokraten neue Duftmarken setzen. Zum Beispiel auf dem Gebiet der Europa- und Finanzpolitik. Hier haben die Genossen nach ihrer Wahlkampfkonferenz am Wochenende Stellung bezogen. Und zwar gegen Schäuble, der seine Kürzungsrunden gern durch einen weiteren fiskalischen Schlägertrupp in einem deutschen Kerneuropa absichern möchte. Die SPD hingegen will lieber eine EU-Entgiftungskur und fordert, Europa müsse mehr Geld ausgeben, vor allem in Bildung und Infrastruktur, um der Heerschar an arbeitslosen Jugendlichen wieder eine Perspektive zu verschaffen. Das klingt natürlich gut und richtig, doch verfällt die SPD nach der Bitte um Konkretisierung mal wieder in ihr übliches Geschwätz.

Aus Angst vor dem Unwort Schuldenmachen üben sich die Spitzensozialdemokraten in rhetorischen Verrenkungen. Mit mehr Geld sei natürlich nicht Verschuldung gemeint, aber auch nicht das übliche Zusammenkratzen von Haushaltsresten, wie Gabriels Stellvertreter Schäfer-Gümbel heute morgen im Deutschlandfunk erläuterte. Er erinnerte aber an die historische Nullzinsphase, von der gerade Deutschland so sehr profitiert habe. Daher sei es „jetzt richtig zu helfen, dass Menschen beispielsweise in Spanien, in Italien, in Griechenland in Arbeit und Ausbildung kommen.“

Doch erst auf nochmalige Nachfrage räumt der Vize dann ein, dass es ohne Schulden, die bei der SPD offenbar nur als öffentliche Investitionen bezeichnet werden dürfen, nicht gehe. Dieses Geeiere um eine an sich richtige Position dürfte dem politischen Gegner nur weitere Munition liefern. Und wer dann noch mit der Bemerkung, „leider reicht uns Ihre Sendezeit nicht aus, um jetzt wirklich…“ weitere Fragen von offenkundig ahnungslosen Moderatoren abblockt, macht sich zum Gespött. Gerade auch dann, wenn aus gleichem Munde immer wieder zu hören ist, dass die SPD ihre Politik nur richtig erklären müsse, um doch noch erfolgreich zu sein.

Falsches Spiel

Dabei ist es ganz einfach und auch leicht verständlich. Die Bundesrepublik profitiert seit Beginn der Finanzkrise von fallenden Zinsen auf die eigenen Schuldtitel. Nach der Brexit-Entscheidung ist es inzwischen schon wieder so, dass die Geldgeber am Kapitalmarkt noch etwas dafür bezahlen, wenn der deutsche Finanzminister ihnen das Geld leihweise abnimmt. Mit anderen Worten: Der Finanzminister ist in einer glänzenden Position, die es ihm erlaubt, fortwährend schwarze Nullen zu schreiben, ohne groß etwas dafür tun zu müssen. Er braucht nur hie und da das europäische Haus mit einer Bemerkung über die Schuldentragfähigkeit anderer Länder ins Wanken zu bringen und schon rollt der Euro ganz im Sinne des deutschen Kassenwartes.

Dabei profitiert Schäuble dann vom Zinsvorteil. Er löst alte Schuldtitel durch neue ab, die günstiger zu finanzieren sind. Unterm Strich ist damit eine Ersparnis von rund 100 Milliarden Euro in den Jahren 2008 bis 2015 bereits zusammengekommen. Das Geld hätte er also bezahlen müssen, wenn es keine Eurokrise und ein normales Zinsniveau gegeben hätte. Was spräche also dagegen, Schulden in Höhe dieser Summe aufzunehmen, um damit sinnvolle Dinge hierzulande, wie auch in den unter der Finanzkrise leidenden Ländern Südeuropas zu tun? Nichts. Es wäre eine nachhaltige Politik zu günstigen Konditionen von der auch die nächsten Generationen etwas haben würden.

Doch in realen Zusammenhängen denken auch Sozialdemokraten leider nicht. Sie halten für nachhaltig, was nach ausgeglichenem Haushalt und der Einhaltung von Schuldenbremsen und Fispalpakten aussieht. Da sind sie ganz auf Linie mit den Schwatten, die sich an die Vorstellungswelt der schwäbischen Hausfrau klammern. Und wer genau hinhört, wird auch feststellen, dass die Sozialdemokraten weiterhin am Konsolidierungsgedanken festhalten, obwohl sie sich über eine zerfallende Infrastruktur immer jämmerlicher beklagen. Oder haben Sie etwas davon gehört, dass Wirtschaftsminister Gabriel seine idiotische Idee, den Bau und Betrieb von Autobahnen in eine private Gesellschaft auszugliedern, fallen gelassen hat?

Wenn er es wirklich ernst mit seinen Investitionsplänen meinen würde, müsste er sofort diese GroKo-Schweinerei zugunsten von Banken und Versicherungskonzernen stoppen. Macht er aber nicht, sondern spielt weiterhin falsch. Denn die Regierung, der Gabriel ja nun einmal angehört, arbeitet nach Spiegel-Informationen schon längst an der nächsten Grundgesetzänderung, um Teile des Autobahnnetzes privatisieren zu können. Aber auch da wird es wahrscheinlich hinterher wieder heißen: „Mit den Schwatten war leider nicht mehr drin.“

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. rolfeckard  Juli 4, 2016

    ICH HOFFE MIT VIELEN ANDEREN, DASS DIESE POLITIK BALD EIN ENDE FINDET UND DIE SPD IN DEN EINSTELLIGEN PROZENTBEREICH DRÜCKT. DA KÖNNEN SIE DANN JAMMERN, DASS ES OHNE DIE SCHWATTEN BESSER GELAUFEN WÄRE!

  2. Bobo  Juli 5, 2016

    Die SPD sollte sich lieber um eine Absenkung der 5% – Hürde kümmern, solange sie das noch kann.

  3. Arnold  Juli 5, 2016

    Wenn Gabriel den Eindruck hat, „dass sehr viele Menschen in diesem Land ganz nah bei den Positionen der Sozialdemokraten sind“, die Menschen aber den Eindruck haben, dass Gabriels „sozialdemokratische“ Position eigentlich eher bei der CDU zu finden ist, dann werden diese vielen Menschen wohl auch eher CDU wählen.
    Es wird der SPD im Bund wohl noch so gehen wie in Baden Württemberg wo sie es geschafft hat selbst ein historisches Tief nochmal zu halbieren.