Aschermittwoch durch die Hintertür

Geschrieben von: am 10. Feb 2016 um 13:31

Screenshot Tagesschau.de am 10. Februar 2016

Screenshot Tagesschau.de am 10. Februar 2016

Und sie machen es doch: Nach dem gestrigen Bahnunfall in Oberbayern hatten sich alle Parteien Zurückhaltung auferlegt. Sie sagten ihre Veranstaltungen zum politischen Aschermittwoch ab. Das heißt aber nicht, dass die vorbereiteten Reden einfach so im Papierkorb landen. Im Gegenteil. Horst Seehofer streute die Kernbotschaften seiner nicht gehaltenen Bierzeltrede via Passauer Neue Presse in die Lande und die SPD reagierte prompt via Süddeutsche Zeitung. Die Sozialdemokraten stellen sich nun schützend vor die Kanzlerin. Die ist übrigens von der CDU und schweigt wie gewohnt.

Damit ist der obligatorische Schlagabtausch am Aschermittwoch durch die Hintertür eröffnet. Der eine redet von einer „Herrschaft des Unrechts“, die anderen halten das für eine „bösartige Formulierung“, mit dem Ziel, die Kanzlerin zu treffen. Eine Reihe weiterer Sozialdemokraten schaltet sich ein und der CSU Generalsekretär, Andreas Scheuer, meldet sich im ARD Morgenmagazin zu Wort.

Man kämpfe ja nur um die Wiederherstellung von Recht und Ordnung. Die Bürger stimmen den CSU-Positionen bei Obergrenzen und „bürgerlicher Leitkultur“ mit breiter Mehrheit zu, so Scheuer. Und überhaupt, was soll die Aufregung. Schließlich habe es bei der Klage von SPD geführten Bundesländern gegen das Betreuungsgeld auch keinen großen Aufstand gegeben. Nur wenn Bayern klage, sei das was Besonderes, klagte wiederum Scheuer.

Die Enttäuschung über die abgesagten Großveranstaltungen sitzt offenbar auch bei anderen Politikern tief. Mit Tweets und Posts schlagen die verhinderten Büttenredner die freie Zeit in den sozialen Netzwerken tot. Dietmar Bartsch spart via Facebook nicht mit deftigen Sprüchen. Wortschöpfungen wie „Vollstrecker des Unrechts“, „Maulheldentum“ und „bayerisches Donald Trump-Double“ sind da zu lesen.

Thomas Oppermann hat gestern Abend via Twitter auch noch einen rausgehauen.

Und SPD-Vize Ralf Stegner sorgt sich heute um den Geisteszustand des bayerischen Ministerpräsidenten.

Fehlen nur noch die Grünen. Katrin Göring-Eckardt erinnert auf Facebook an die Opfer staatlichen Unrechts und meint, Horst Seehofer brauche gar keinen politischen Aschermittwoch.

Stimmt, den braucht der CSU-Chef in Tat nicht mehr. Denn dank der sozialen Netzwerke ist quasi jeden Tag politischer Aschermittwoch im Netz. Dort wird nichts abgesagt, auch dann nicht, wenn zwei Personenzüge am Vortag ineinander fahren. Übrigens sind die Veranstaltungen traditioneller Prägung gar nicht wirklich abgesagt, wie ein Blick auf die Terminseite der CSU zeigt. Und auch bei der SPD wird den Gliederungen der Partei lediglich empfohlen, dem Beispiel des Landesvorstandes zu folgen und auf die Zusammenkünfte zu verzichten. In Bayern finden in dutzenden Kreisverbänden Veranstaltungen zum politischen Aschermittwoch statt.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Suderman  Februar 11, 2016

    In Bayern http://www.regensburg-intensiv.de/seehofer/ministerpraesident.html herrscht noch Recht und Ordnung!