Schwarze Null statt Solidarität

Geschrieben von: am 09. Sep 2015 um 13:22

In dieser Woche haben die Haushaltsberatungen im Deutschen Bundestag begonnen. Die Bundesregierung setzt dabei alles auf die Schwarze Null. Zweieinhalb Stunden betete die GroKo gestern das große Nichts an, twitterte Harald Petzold (MdB, Die Linke)

Die Mehrausgaben für Flüchtlinge will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble an anderer Stelle einsparen. Die Bewältigung habe „oberste Priorität“, und zwar ohne die Aufnahme neuer Schulden, sagte der CDU-Politiker. Andere Ausgabenwünsche hätten sich dem unterzuordnen, meldet das Handelsblatt. Das heißt, Schäuble zündelt und nimmt neue Konflikte billigend in Kauf. Künftig wird es heißen, wegen der Flüchtlinge können wir nicht mehr das und das tun…

Über den Unsinn einer Schwarzen Null redet keiner mehr. Sie ist dann nicht mehr nur ein Glaubensdogma, sondern ein feststehendes Naturgesetz. Der Chefredakteur des ND, Tom Strohschneider, hat zum Auftakt der Haushaltsberatungen einen Videoblog verfasst. Er lehnt den Begriff „Flüchtlingskrise“ ab und spricht stattdessen von einer Krise derer, die die Ursachen von Flucht mitverschuldet haben.

Wer das Wort „Flüchtlingskrise“ verwende, will in Wirklichkeit die Krise der Institutionen vergessen machen, die in Brüssel einen erbärmlichen Streit um Verteilungsquoten aufführen. Und er will vergessen machen, dass die Verwaltungen hierzulande viel zu schlecht vorbereitet waren und sind, um die Menschen unterzubringen und zu versorgen. Es sei darüber hinaus den vielen Ehrenamtlichen zu verdanken, dass in Deutschland nicht ähnlich katastrophale Zustände herrschen wie in Ungarn.

Die Selbstbeweihräucherung geht weiter

Unterm Strich geht die Selbstbeweihräucherung der Bundesregierung weiter. Deutschland sei in guter Verfassung, die Finanzen solide und die Wirtschaft robust, so Merkel in ihrer Ansprache. Beides ist aber falsch. Die angeblich so soliden Finanzen fußen auf einer bröckelnden Bausubstanz, die mit harter Kürzungspolitik und dem Aufschieben notwendiger Investitionen erst geschaffen wurde. Und die Wirtschaft wirkt nur deshalb robust, weil ein schwacher Euro die Bilanz des Außenhandels schönt.

Gleichzeitig fordert der nächste Leistungsbilanzüberschuss, der vermutlich über 8 Prozent des BIPs betragen wird (die extra für Deutschland geschaffene Regel besagt eigentlich max. 6 Prozent), neue Finanzkrisen herauf. Deutschland wirkt stabil, destabilisiert aber die anderen Volkswirtschaften, mit denen es Handel treibt. Das Treiben im Inland sollte ebenfalls zu denken geben. Immer häufiger brennen Flüchtlingsunterkünfte. Daneben stehen Menschen, die applaudieren und ihre eigene Perspektivlosigkeit in Gewalt gegen Minderheiten verwandeln.

Für Merkel und ihre Bundesregierung ist das zwar alles schlimm, aber kein Grund, am guten Zustand des Landes zu zweifeln. Die Verfolgung des Rechtsextremismus ist eine Sache des Rechtsstaates, sagt die Bundeskanzlerin und lässt es dabei bewenden. Das hat ja in der Vergangenheit schon prima funktioniert (Stichwort: NSU). Die Politik beschränkt sich derweil auf Beschimpfungen des „Packs“ und ruft alle anderen dazu auf anzupacken. Dann wird das schon. Kürzer und verhängnisvoller kann ein politisches Programm kaum ausfallen.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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